IDENTITY
Tanztheater von Annett Göhre und Oded Ronen
Was bestimmt unsere Identität? Beide Choreografien dieses Tanzabends ergründen auf sehr unterschiedliche Art die Prägungen, die unser Ich ausmachen: Annett Göhres Solo »Schwanengesang« zu Beginn von »Identity» ist eine sehr persönliche, melancholische und ironische Befragung eines wichtigen Abschnitts der Lebensgeschichte einer Künstlerin. Es geht um typische Erfordernisse, Tanz als Kunstform auszuüben, zu ›leben‹. Wenn diese unverwechselbare Qualität, sich im Tanz entfalten zu können, zum tatsächlich identitätsstiftenden Akzent des Selbst geworden ist, schließt das auch notwendig die Überlegung ein, wer oder was man ist, wenn die Karriere auf der Bühne endet. Ist und bleibt man dann dennoch Tänzerin?
Anschließend an Annett Göhres Choreografie auf der Bühne nimmt Gastchoreograf Oded Ronen mit dem Ulmer Tanzensemble in anderer Weise Bezug auf die Selbstbestimmung als Individuum und Tänzer. Als israelischer Künstler reflektiert er aus aktuellem Anlass, dass die eigene Identität der Grund sein kann, akut gewalttätig angefeindet, existentiell bedroht zu werden: Das friedliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Nationalität und Orientierung ist (auch im gemeinsamen Tanz) nie selbstverständlich, sondern ein fragiler und akut gefährdeter Zustand.
Bitte beachten Sie unsere Altersempfehlung ab 18 Jahre!
* Die militärische Reaktion Israels auf den Angriff der Hamas führt zu Kontroversen auch unter Intellektuellen und Künstlern. Während viele den konsequenten Kampf gegen die terroristischen Kräfte in Gaza für absolut gerechtfertigt ansehen, gibt es etliche anderslautende Stimmen, welche – die Meinungsfreiheit gebietet es – auch hierzulande zu Wort kommen. Die Bühnenbildnerin Mireia Vila Soriano, welche beide Teile des Tanzabends betreut hat, bittet um folgende Stellungnahme hinsichtlich des zweiten Teils des Tanzabends: »Vor dem Hintergrund der eskalierenden Gewalt in Gaza möchte ich meinen Namen nicht mit einem Stück in Verbindung bringen, das eine einseitige Sicht auf den Krieg vertritt.« Die Theaterleitung teilt die Einschätzung von Frau Soriano nicht, respektiert aber ihre Haltung. Die künstlerische Beschäftigung mit jeglichem Thema, so auch mit (bedrohter) Identität als der inhaltlichen Ausrichtung des Tanzabends, ist immer subjektiv und individuell, besonders unter den in Oded Ronens Choreografie »The Missings« betrachteten zeitgeschichtlichen Umständen.
Uraufführung
Freitag, 2. Februar 2024, 19.30 Uhr, Podium
Soirée
Dienstag, 23. Januar 2024, 18.00 Uhr, Podium
Altersfreigabe 18+
Dauer ca. 1 Stunde 35 Minuten, keine Pause
Pressestimmen
»Ein ergreifendes Stück zeitgenössischen Tanzes, das unter die Haut geht, erschüttert, aber auch Hoffnung macht. Weil es auch zeigt, wie sich Menschen in der Not mitfühlend zusammentun und sich für andere einsetzen, die sie oft gar nicht kennen.«
Kristina Schmidl // Südwest Presse»Oded Ronen hat auch in Ulm gemeinsam mit der überzeugenden und spürbar intensiv agierenden Company die Tanztechnik des ›Imagery in motion‹ perfektioniert. Diese Technik sensibilisiert die Fähigkeit, innere Bilder zu schaffen, diese in einen organisch-fließenden, behutsame und klar lesbaren körperlichen Ausdruck zu überführen und Emotion sichtbar zu machen.«
Renate Baumiller-Guggenberger // Neu-Ulmer Zeitung»Ronen geht es darüber hinaus darum, mit seiner von ihm entwickelten Technik der ›Imagery in motions‹: ›innere Bilder in Bewegung‹ umzusetzen. Das gelingt [der Tanzcompagnie des Theaters Ulm] mit großer Intensität. Es ist beeindruckend, was sich diese Körper in Ausdrucksinstrumente verwandeln.«
Manfred Jahnke // Die Deutsche Bühne»Zusammengefasst sind ›Schwanengesang‹ und ›The Missings‹ unter dem Gesamttitel ›Identity‹. In der Tat geht es bei beiden Choreografien um die Frage, wie nach einem Verlust Identität wiedergewonnen werden kann. In ›Schwanengesang‹ wird das im kleinen Rahmen abgehandelt, in ›The Missings‹ in einem großen politischen Rahmen. In dieser Gegenüberstellung einer „privaten“ Biografie mit traumatisierten Biografien einer ganzen Gesellschaft liegt eine Welt – und reichlicher Stoff für Diskussionen.«
Manfred Jahnke // Die Deutsche Bühne