»ALL DAS SCHÖNE« — »UM DEN MENSCHEN EIN STÜCK WELT DIE ANGST ZU NEHMEN«

Maurizio Micksch als Regisseur im Podium

»All das Schöne« ist der Titel eines Monologs von Duncan Macmillan, in dem der Protagonist sein bisheriges Leben anhand der Entwicklung einer Liste erzählt — einer Liste »mit all dem, was an der Welt schön ist. Allem, wofür es sich zu leben lohnt.« Diese Liste begann er siebenjährig, nachdem seine Mutter einen Suizidversuch unternommen hatte, um ihrer Depression entgegenzuwirken.
Den intimen Monolog spielt der Schauspieler Björn Ingmar Böske ab Oktober im Podium, Regie führt sein Ensemblekollege Maurizio Micksch. Im Gespräch mit Dramaturg Stefan Herfurth erzählt Micksch, was den Text für ihn einzigartig macht und was das Ulmer Publikum erwartet.

Stefan Herfurth
Lieber Maurizio, Du hast »All das Schöne« dem Theater Ulm selbst vorgeschlagen, wobei Du von Anfang an als Regisseur und nicht als Darsteller agieren wolltest. Wie kam es zu dieser Stückwahl und Konstellation?

Maurizio Micksch Ich arbeite schon länger gerne auch als Regisseur und genieße es, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen und mich nicht immer »nur« als Schauspieler in eine Idee von jemand anderem einzufügen. Vor allem, wenn es sich um ein Herzensprojekt handelt wie »All das Schöne«. Ich habe das Stück mal vor ein paar Jahren gesehen und wusste gleich, dass ich es auch irgendwann mal machen möchte, weil es mich sehr berührt hat. Außerdem geht es viel um Musik und das ist ebenfalls eine große Leidenschaft von mir.

Stefan Herfurth Du beschreibst den Text selbst als »poetisch und melancholisch«. Was reizt Dich neben dieser Grundstimmung inhaltlich an dem Text?

Maurizio Micksch Ich finde es faszinierend, wie leicht der Autor mit dem Thema Depression umgeht und es dadurch sehr zugänglich für alle macht. Ich glaube, dass viele Menschen in ihrem Leben schon mal in Berührung mit dieser Krankheit gekommen sind. Aber es wird wenig darüber gesprochen, weil es oft als Schwäche angesehen wird. Meiner Meinung nach sollte man allerdings darüber sprechen, um den Menschen ein Stück weit die Angst zu nehmen und zu zeigen, dass es auch vielen anderen so geht. Das Stück gibt keine Lösung für die Krankheit vor, aber zeigt auf, dass es wichtig ist, sich damit zu beschäftigen.

Stefan Herfurth Die Geschichte eines Kindes, das mit sieben Jahren beginnt, eine solche Liste mit kleinen Besonderheitenzu verfassen, und diese ein Leben lang fortführt, ist an sich schon sehr ungewöhnlich. Gibt es — vom Inhaltlichen abgesehen — deswegen bestimmte formale Besonderheiten bei »All das Schöne«?

Maurizio Micksch Was das Stück formal besonders macht, ist die Unmittelbarkeit zum Publikum. Nicht einfach umzusetzen in Zeiten, in denen Hygieneregeln direkt in Probenprozesse eingreifen, aber wir haben eine gute Form dafür gefunden, mit Nähe und Distanz umzugehen, ohne dass Corona im Mittelpunkt steht. Im besten Fall denkt man überhaupt nicht daran.

Stefan Herfurth In welcher Form zeigt sich das beispielsweise im Bühnenbild und der Raumanordnung im Podium?

Maurizio Micksch Das Publikum hat momentan so viel Beinfreiheit wie nie und das Bühnenbild ist inhaltlich so konzipiert, dass es uns positiv in die Karten spielt, weil wir große Plexiglasplatten haben. Mehr möchte ich allerdings an dieser Stelle nicht verraten.

Stefan Herfurth Im Text tauchen ganz unterschiedliche Einträge wie »Vogelgesang«, »Alkohol« oder »Die Stimme von Christopher Walken« auf. Welche drei Listeneinträge würdest Du persönlich gerne auf eine solche Liste setzen?

Maurizio Micksch »Lange Spaziergänge«, »Das Gefühl, dass jemand einen vermisst, wenn man unterwegs ist« und »Die Geburt des eigenen Kindes«.

Stefan Herfurth Vielen Dank Dir für das Gespräch!

Stefan Herfurth

AutorIn: Stefan Herfurth
Datum: 25.09.2020