KOFFER AUF, ALLTAG RAUS

Ein zauberhafter Probenbesuch bei »Cinderellas Schuhe«

Morgens. Kurz vor zehn. Im Oberen Foyer, im Würfel, dort, wo sonst Einführungen stattfinden, erfahre ich heute, was mit den gläsernen Schuhen geschah, nachdem Cinderella den Prinzen geheiratet hat. »Cinderellas Schuhe«, Mike Kennys Monolog für Kinder, erzählt eben diese Geschichte, oder besser: Lässt sie erzählen von Imelda Plaudertasche, der sympathisch-chaotischen Hauptfigur mit dem Schuhtick. Schauspielerin Christel Mayr und Imelda Plaudertasche verbindet nicht nur die Liebe für Schuhe: Während Imelda für ihr Leben gern Geschichten erzählt, findet Christel es ganz wunderbar, den Geschichten anderer zu lauschen oder selbst vorzulesen. Schnell schlüpft Christel in das Probenkostüm und überprüft, bevor sie zu Imelda Plaudertasche wird, die zahlreichen Koffer, die auf der Bühne verteilt sind. Koffer. Das klingt so banal, doch bei Susanne Harnischs Bühnenbild steckt etwas Magisches in jedem dieser Alltagsgegenstände. »Kleine Wunderwerke«, so beschreibt es Christel, »kommen heraus, wenn man die Koffer öffnet, die geschlossen schon so wunderschön sind.« 
»Ist der Fisch drin?«, erkundigt sich Regisseur Martin Borowski. Ja. Die Probe beginnt. Die Atmosphäre ist locker und entspannt. Es wird viel gelacht. 

Nach der Premiere am 30. September wird »Cinderellas Schuhe« nicht nur im Theater gezeigt. Die Produktion ist mobil und kann auch an externen Spielstätten wie Schulen oder Kindertagesstätten aufgeführt werden. »Ich glaub, ich nehme prophylaktisch schon mal Grippeblocker!«, scherzt Christel. Alles nur Quatsch! Vor Kindern zu spielen, die sehr nah dran sind, sei schon eine Herausforderung, findet Christel. »Als Spielerin bekommst Du sofort mit, ob die Kinder Dir glauben oder nicht. Und wenn sie keine Lust mehr haben oder es ihnen langweilig wird, dann machen sie eben etwas anderes.« Auf die direkten Reaktionen ihres jungen Publikums ist Christel jedenfalls schon sehr gespannt. 

Neben mir auf dem Boden verrenkt sich Gaëtan Chailly. Seine Aufmerksamkeit ist ganz auf Christel gerichtet. Zwischendrin gibt er Anmerkungen, wie Christel die filigranen Figuren, die sie immer mal wieder hervorzaubert, berühren kann, wie sie sich bewegen kann, wenn Imelda Plaudertasches Schuhe um die Wette rennen - an ihren Füßen! - oder wie sie kleine Choreografien in die Geschichte einbauen kann. Gaëtan bringt Bewegung und Rhythmus ins Spiel, und auch wenn er gerade nur zuschaut, erzählt sein Körper die Geschichte die ganze Zeit mit. »Es ist ganz wunderbar mit Gaëtan zu arbeiten, unglaublich bereichernd und sehr amüsant«, beschreibt Christel ihre erste Zusammenarbeit mit dem neuen Tanzpädagogen am Theater Ulm. Was Tanzen ihr persönlich bedeutet? »Das Tanzen ist mein Leben!« Mit ihrem herrlich mitreißenden Lachen entführt Christel uns in ihre eigene Kindheit. »Ich habe schon getanzt, da wusste ich noch gar nichts in meinem Leben. Wenn alle aus dem Haus waren, habe ich in der Küche meiner Oma getanzt. Auf dem schönen, glatten Linoleumboden. Als ich das erste Mal Ballett im Fernsehen sah, wusste ich: Das will ich machen. Es war nicht leicht mich durchzusetzen, aber ich habe es geschafft und vor meiner Schauspielkarriere 15 Jahre als Tänzerin gearbeitet.«

Die Liebe steckt bei »Cinderellas Schuhe« im Detail. Aus etwas Alltäglich-Profanem wird in dieser Inszenierung etwas zauberhaft Leichtes. Immer und immer wieder. Ganze Wunderwelten entstehen an diesem Vormittag vor meinen Augen. Vergessen die ewig langen To-Do-Listen, die unbeantworteten E-Mails und die Termine, die noch anstehen werden. »Das sind Cinderellas Schuhe«, sagt Imelda Plaudertasche feierlich in meine Richtung. Ich ertappe mich dabei, wie ich mit offenem Mund und großen Augen die gläsernen Schuhe in ihren Hände bestaune und bin mir sicher, dass »Cinderellas Schuhe« das Publikum ganz gleich welcher Altersklasse verzaubern wird.  

AutorIn: Caro Meyer
Datum: 25.10.2018