»IHR SOLLT SIE KENNLERNEN BALD: DIE CHRISTL AUS DEM WIENERWALD!«

Georg Jarnos Heimat-Operette »Die Försterchristl« kommt in einer einstündigen Version ins Podium


Wer kennt sie nicht, die herzerwärmenden oder -zerreißenden Heimatfilme, in denen Dirndl und Lederhosen nicht nur mit dem Oktoberfest assoziiert werden und in denen sich die großen Gefühle auf Almwiesen oder im Tannendickicht Bahn brechen. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Oder zumindest sind die Probleme sehr direkt greifbar und die Lösung winkt bereits am Horizont. Der Toni, die Vroni, der Sepp und die Kathi — sie sind uns näher, als uns vielleicht lieb sein mag.

Lange bevor der Heimatfilm Kino und Fernsehen eroberte, machte sich die Operette das Heimat-Heimweh zunutze. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kletterten Soubretten und Operettentenöre allabendlich auf Berge aus Pappmaché oder streiften mit einer Flinte durch den Forst. So tat es auch ab 1907 die resolute Försterchristl in Wien. Dazu sang sie »Ich tu’ nur bös’, bin sonst fidel!« und erläuterte, wie man sich die Männer vom Halse hält. Die »Försterchristl« wurde rasch zur erfolgreichsten Operette des Komponisten Georg Jarno.

Das Besondere an der »Försterchristl« ist nicht nur die schmissige und walzerselige Musik Jarnos, sondern die ungewöhnliche Liebesgeschichte, die das Publikum in Tränen ausbrechen ließ: Die Christl verliebt sich nämlich, ohne es zu ahnen, in den Kaiser. Die Standesunterschiede sind unüberwindbar, so groß die Gefühle auch sein mögen. Was Jarno und sein Librettist Bernhard Buchbinder (auch ein Name, der vollständig in Vergessenheit geraten ist) hier ›erfinden‹, erhebt zwanzig Jahre später ein Franz Lehár zum Prinzip: das operettigrührselige ›Unhappy End‹. Während jeder schon einmal vom »Land des Lächelns« und Lehár gehört hat, ist heute Jarno dem Publikum kaum noch geläufig und auch die »Försterchristl« ist nahezu von den Spielplänen verschwunden.

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Zuschauer noch: Im Frühsommer 2011 kam die herrlich absurde Heimat-Operette in der Podium.bar des Theaters Ulm zur Aufführung. Schauspielerin Christel Mayr schlüpfte virtuos in die verschiedenen Rollen des einstigen Jarno-Schlagers — von der titelgebenden Försterchristl über den Ungarn Földessy bis hin zum Schneider Walperl, dem blasierten Haushofmeister und der fränkelnden Waltraud. Regisseur Benjamin Künzel saß am Klavier und gab nebenbei noch den Kaiser Joseph II.

Nun ist Zeit für »Försterchristl«-2.0. Mayr und Künzel tauchen erneut in die Untiefen des Wienerwalds und lassen die Christl seufzen: »Herr Kaiser, Herr Kaiser, du liebe Majestät!«

Benjamin Künzel

 

»Die Försterchristl«
Lyrische Kostproben

Ich bin die Försterische,
die resolute, frische.
Hab manches Wild schon hingestreckt.
Vor mir hat Mensch und Vieh Respekt!

Will sich ein Kummer nahen,
sag ich schnell: »Marsch, fahr ab!
Ich bin jetzt nicht zu sprechen,
wart' schön bis Zeit ich hab'!«

Hart an des Glückes Wende,
abstürzen muss ich jäh –
die Geschichte ist zu End'.
Eine Kugel, dann Ade!

AutorIn: Benjamin Künzel
Datum: 25.09.2020