FÜR JEDEN EIN LOKAL: DIE FIGUREN AUS »SOUL KITCHEN« UNTERWEGS IN ULM

In »Soul Kitchen« bekommt es Zinos, der Betreiber der gleichnamigen Kneipe, nicht nur mit einem möglichen Bandscheibenvorfall, sondern auch noch mit seinem Sträflings-bruder, einem exzentrischen Koch, seiner abwesenden Freundin, einem Sprüche klopfenden Mitbewohner, dem Finanz- und sogar dem Gesundheitsamt zu tun. Selbst permanent auf der Suche nach seinem persönlichen Glück, will er eigentlich alle Menschen in seinem Umfeld glücklich machen — als Gastronom vornämlich mit Speisen und Getränken. Dabei muss er allerdings feststellen, dass sich die Geschmäcker durchaus sehr stark unterscheiden; allein die Menschen, die das »Soul Kitchen« immer wieder frequentieren, haben ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Leben — und vor allem davon, was einen gelungenen Eestaurant- oder Kneipenbesuch ausmacht. In einem Selbstversuch hat das »Soul Kitchen«-Ensemble verschiedene Ulmer Lokale in der Nähe des Theaters ausprobiert. Und, siehe da: für Jede und Jeden war etwas dabei!

 

HUDSON BAR

Ein bisschen versteckt an der Ecke Ulmergasse/Webergasse bietet diese Bar alles, was einen guten Kneipenabend ausmacht: Im gemütlich schummrigen Ambiente finden immer mal wieder Live-Konzerte statt, es gibt einen separaten Raucherraum, und die Karte lässt keinen Whiskey-, Bier- oder Rum-Wunsch offen. So ähnlich stellt sich vielleicht auch Zinos das ideale Lokal vor (noch dazu ohne den Stress einer Küche!): Betreiber- und gleichermaßen besucherfreundliche Öffnungszeiten ausschließlich donnerstags bis samstags jeweils 18:00 bis 2:00 Uhr und Hinweise in der Karte auf andere, vergleichbare Kneipen (falls man tatsächlich nicht fündig geworden ist), stellen genau die Art kumpelhafter Serviceleistung dar, die auch der »Soul Kitchen«-Protagonist schätzt und gern anbietet.

Lukas Schrenk Hudson Bar

 

CAPO’S GRÖßENWAHN

Im besten Sinne des Wortes versacken kann man am Tresen oder einem der Tische dieser Szenekneipe in der Platzgasse; wenn man, wie Zinos’ Bruder Illias, Knast-Freigang bekommt und seinen Brieftascheninhalt durch diverse Glücksspiele ein wenig aufbessern (oder in Gänze verjubeln) will, findet man dazu hier nicht nur eine passende Atmosphäre, sondern an einigen Automaten auch ausreichend Gelegenheit. Dabei muss man nicht unbedingt sehr oft auf die Uhr sehen, denn die täglichen Öffnungszeiten von 10:00 bis 2:00 Uhr — freitags und samstags sogar bis 3:00 Uhr, dafür sonntags »nur« von 13:00 bis 0:00 Uhr — lassen, egal ob bezogen auf Getränke oder Spiele, immer noch eine nächste und eine übernächste Runde zu.

Benedikt Paulun Capo's Größenwahn

FRÄULEIN LECKER

Wer mit der Bezeichnung »hyggelig-hipstermäßig« nichts anfangen kann, ist grundsätzlich falsch in diesem Hotspot des Gastro-Genusses: Eine offen-moderne, WG-Küchen-artige Ausstattung, erlesene Weine (im Verkauf offeriert durch treffend-blumige Beschreibungen) und hausgemachte Limonaden, dazu extravagante Speiseangebote wie »Graups« (Sushi mit dem Superfood Graupen statt Reis) oder Brot im Tontopf lassen die Herzen aller Trendverliebten und Junggebliebenen genauso hoch schlagen, wie die Schreibweise »Snäcks« für kleinere Mahlzeiten auf der Karte. Klar, dass sich Zinos’ Freundin Nadine hier wohl fühlen würde, immerhin könnte sie ihren kulinarisch bodenständigeren Liebsten sogar mitnehmen, da auch eine große Bier- und Dinette-Auswahl angeboten wird. Ungünstig nur, dass zwischen der Sterngasse und ihrem Aufenthaltsort etwa 8.800 Kilometer liegen; sonst würde sie vermutlich täglich zwischen 16:00 und 23:00 Uhr (freitags bis 0:00 Uhr, samstags sogar 10:00 bis 0:00 Uhr!) auch auf eine Kaffeespezialität vorbeikommen.

Nicola Schubert Fräulein Lecker

 

ROSEBOTTEL

Den Namen des griechischen Philosophen trägt Zinos’ Mitbewohner Sokrates nicht ohne Grund: Nie scheint er um ein — manchmal auch erst im Nachhinein Sinn ergebendes — Zitat aus Hoch- und Popkultur verlegen zu sein, um alle möglichen und unmöglichen Situationen exakt auf den Punkt zu bringen. Und würde er nicht im »Soul Kitchen« als zuweilen sphinxisches Orakel residieren (oder vielmehr schon zur Einrichtung gehören), könnte er in der Zeitblomstraße ein wunderbar zu ihm passendes Heim finden: Ob sprichwörtlich Wahrheiten in Wein, etwas profaner Behauptungen in Bier oder — wegen der hauseigenen Manufaktur möglich — Lustiges in Limonaden: In allen Fällen gilt für den kauzigen Schwadroneur die alte Weisheit »wer suchet, der findet«. Das gemütliche Ambiente der mit »Hagebutte « zu übersetzenden (und übrigens genau so, wie geschrieben, auszusprechenden) Bar lädt in jedem Fall zum längeren Verweilen ein; sei es, ob man vor sich hin grübeln oder seine Erkenntnisse unter einem vielköpfigen Publikum verbreiten möchte. Jeden Mittwoch und Donnerstag hat man dazu von 20:00 bis 1:00, Freitag und Samstag sogar bis 2:00 Uhr Gelegenheit.

Stephan Clemens Rosebottel

 

STELLA

Als Bedienung im »Soul Kitchen« schenkt sich Lucia die meisten Drinks selbst ein. Um sich außerhalb ihrer Schichten bedienen zu lassen, würde die Künstlerin wohl am ehesten die gemütliche Enge der Cafébar (oder des Barcafés?) in der Dreiköniggasse als Inspirationsort nutzen: Neben zu bestaunenden Kunstwerken an den Wänden gibt es eine sehr ausführliche Getränkekarte sowie kleinere Mahlzeiten oder Suppen und in den wärmeren Monaten zusätzlich die Möglichkeit, vor dem Lokal sitzend das Kommen und Gehen zu beobachten. Im Winter bietet eine große Glasfront, an der man auch direkt Platz nehmen kann, dazu Gelegenheit. Da das Lokal — mit Ausnahme von Sonntagen — täglich von 9:00 bis 0:00 Uhr geöffnet hat, ist genügend Zeit zum Lesen, Zeichnen oder Träumen vorhanden.

Franziska Maria Pößl Stella

 

SEVEN FISH

Wer beispielsweise nach seinem Theaterbesuch noch kulinarischen Genuss sucht, der strebt womöglich in dieses Fischrestaurant zwischen Olgastraße und Sterngasse. Selbsternannte Gourmets, eventuell auch Nadines Großmutter, von Zinos lapidar »Oma Krüger« genannt, kommen hier auf ihre Kosten: Neben diversen Fischgerichten und einer angemessenen Weinauswahl werden auch verschiedene Steaks und Filets sowie Desserts und Spirituosen angeboten. Die Speisen und Getränke werden in hellen und übersichtlich designten Räumen kredenzt, sodass vielleicht nicht einmal Frau Krüger etwas zu kritteln hätte; sie könnte sich von Dienstag bis Sonntag immer zwischen 11:30 Uhr und 14:30 Uhr sowie 17:30 Uhr bis 0:00 Uhr mit Glück und gutem Willen davon überzeugen, dass ein Restaurantbesuch ohne Beanstandung schöner sein kann als Beschwerden vorzubringen.

Tini Prüfert Seven Fish

 

GUSTAFF

Dieses Café stellt nicht nur eine herausragend schöne Immobilie in der Herrenkellergasse mit einer stilvollen Inneneinrichtung dar, sondern auch den idealen Treffpunkt für Menschen mit einem ausgeprägten Gespür für solche Feinheiten. Der findige wie windige Immobilienmakler Neumann beispielsweise hätte in diesem Lokal – genau wie im Laden seines alten Schulkumpels Zinos – garantiert nicht nur Augen für die Kaffee- und Kuchenspezialitäten oder die auch gestalterisch ansprechende Speise- und Getränkekarte. Gut möglich, dass er ebenfalls versuchen würde, sich dieses Schmuckstück unter den Nagel zu reißen – nur, um es danach so schnell und so teuer wie möglich wieder zu veräußern. Am Konzept der Ausstattung sollte er jedoch unbedingt festhalten. Und auch die Öffnungszeiten – mit Ausnahme von Sonntagen täglich von 9:00 bis 1:00 Uhr (montags nur bis 18:00 Uhr, dienstags bis 22:00, mittwochs bis 0:00 Uhr) – bedürfen keinerlei Anpassung.

 

ADEGA

Zugegeben, mit der Adresse am nördlichen Ende der Frauenstraße liegt dieses Restaurant etwas abseits der anderen Lokale. Aber auch geschmacklich stellt es wohl – im besten Sinne! – eine Außenseiterposition dar. Das wiederum passt zu Shayn, dem eigenwillig-extravaganten Koch, der, nachdem er einem Nobelschuppen zu ruppig geworden ist, viel mehr Gefallen an Ausstattung und Konzept des „Soul Kitchen“ findet. Mit seinen Kreationen, die eine völlig neue Zielgruppe in Zinos‘ Kleinod locken sollen, wäre er in der Küche der portugiesischen Taberna vermutlich falsch aufgehoben, als Gast jedoch dürften ihn die vorzüglichen Tapas, die dazu passenden Weine und die das Gesamtbild abrundende, schlichte Eleganz dieser Weinstube ansprechen wie kaum ein anderes Restaurant. So wäre er wohl, wenn er nicht gerade selbst kochen muss, von Mittwoch bis Sonntag zwischen 18:00 und 23:00 Uhr (Freitag und Samstag eine Stunde länger) häufig an einem der Tische oder im sonnigen Innenhof sitzend anzutreffen.

 

ESPRESSO 29

Eigentlich ist Lutz der Barkeeper im „Soul Kitchen“, doch als sein Probenraum wegfällt, bringt er zuerst seine Bandkollegen zum Üben und später mit ihnen zusammen Musik in die Kneipe. Vermutlich nicht ganz uneigennützig, da seine recht dominante Freundin sein Leben ohnehin schon sehr stark zu kontrollieren scheint, verbringt er nicht länger nur während seiner Schichten viel Zeit bei Zinos, sondern auch den Großteil seiner freien Stunden. Zum Üben, selbstverständlich! Auf einen kurzen Espresso, ein schnelles Helles oder eine kleine Mahlzeit würde der manchmal fahrig wirkende Musiker bestimmt oft und gern beim charismatischen Italiener in der Platzgasse vorbeischauen. Sollte er einmal für längere Zeit ein Versteck vor seiner wenig besseren Hälfte suchen (und Zinos‘ Laden stünde ihm nicht zur Verfügung), könnte er „bei Mimmo“ auch in Ruhe den ein- oder anderen Eisbecher genießen. Vielleicht sogar in Ruhe. Bis auf sonntags hätte er dadurch jeden Tag zwischen 9:00 und 21:00 (samstags 19:00) Uhr einen Stammplatz in diesem Café.

 

RESTAURANT ZUR LOCHMÜHLE

Herr Meyer vom Gesundheitsamt verbringt von Berufs wegen sehr viel Zeit in verschiedensten Küchen und Gaststuben; im „Soul Kitchen“ hat er einiges zu beanstanden, ist jedoch so kulant, lediglich eine Verwarnung auszusprechen und sich erst nach einiger Zeit von den umgesetzten Verbesserungen zu überzeugen. Wenn er privat, das heißt, einfach nur zum Essen und Trinken, ein Lokal besucht, würde seine Wahl wahrscheinlich auf einen bürgerlichen Familienbetrieb wie den in der Gerbergasse fallen. Wunderschön an einem der Arme der „Großen Blau“ gelegen, bietet der älteste erhaltene Bau einer Mühle in der Ulmer Altstadt neben vortrefflicher, schwäbischer Küche eine Getränkeauswahl, die keinen Wunsch offenlässt. Der freundliche Service und die rustikale Einrichtung tun ihr Übriges, damit sich sogar ein in der Gastronomiekontrolle tätiger Mensch richtig wohl fühlen und seinen Job für einige Zeit vergessen kann. Geöffnet ist täglich von 11:00 bis 0:00 Uhr.

AutorIn: Stefan Herfurth
Datum: 19.02.2019