WAS HAT DAS HEYOKA THEATER MIT SUPERHELDEN ZU TUN?

Schließen Sie die Augen! Haben Sie keine Angst! Wenn ich bis drei zähle, wird die Welt, so wie Sie sie kennen eine andere sein. Wenn ich bis drei zähle, sind Sie ein Superheld!

Wir sind Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen — körperlich oder geistig. Wir kommen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten und aus allen Generationen. Wir sind Laien und wir sind Profis, aber vor allem haben wir etwas zu erzählen und möchten einander zuhören. Vielleicht sind wir das Gegenteil von Superhelden. Wir sind einfach Menschen. Aber in gewisser Weise besondere Menschen, weil viele von uns nicht so funktionieren können, wie es die Teilnahme an der Gesellschaft erfordert. Doch wenn wir ehrlich sind, dann geht es uns ja allen so, denn das ist ein Teil davon, Mensch zu sein.
Genau aus diesem Grund arbeite ich als professioneller Theatermacher mit dem Heyoka Theater und auch aus diesem Grund kam mir die Idee, gemeinsam mit den Darstellerinnen und Darstellern das Thema ›Superhelden‹ zu bearbeiten. Denn auch Superhelden sind Menschen, die Schwächen haben, die nicht Teil der Gesellschaft sein können und darunter leiden. Doch diesen Makel wandeln sie zu ihrer Kraft, da eben dieser sie besonders und einzigartig macht. Dies ist der Weg, den jeder Held zu gehen hat, wie Joseph Campbell in seinem Buch »Der Heros« analysiert und der ›gewöhnlichen‹ Menschen Hoffnung spenden kann.
Am Anfang unserer gemeinsamen Arbeit standen unsere persönlichen Geschichten und die Frage: Was wollen wir verändern? Welche Superkräfte würden wir hierfür benötigen?
Was viele der Spielerinnen und Spieler äußerten, war der Wunsch nach Gerechtigkeit, nach Veränderung, Revolution und Freiheit. Aber ein Teil stand der Figur des Superhelden auch ablehnend gegenüber. Und manche hatten einfach Spaß daran, den Helden in sich zu feiern.
Natürlich ist die Figur des Superhelden durchaus kritisch zu betrachten. Schauen wir in die politische Gegenwart, hat offensichtlich die Idee des Einzelkämpfers Konjunktur, denken wir nur an Trump, Putin, Erdogan und so weiter. Die Frage, die mich in der Vorbereitung des Stücks am meisten interessierte, war, ob der Superheld eine nachahmungswürdige Figur sein kann und was ein Held überhaupt für sein Umfeld bedeutet. Eine Antwort, die mir dabei zukunftsweisend erscheint, finde ich im aktuellen Buch »Unruhig Bleiben« der Philosophin Donna Haraway: Anstatt immer wieder die Heldengeschichte des Einzelnen auf einer Mission wiederzukäuen, schlägt sie vor, den Blick vom Helden abzuwenden und die Aufmerksamkeit auf die Menschen abseits des Rampenlichts zu lenken. Diese Frage ist eine nach Wertschätzung und Anerkennung der im Hintergrund arbeitenden Menschen, Systeme und Lebewesen, die das Leben bedingen und, wie ich überzeugt bin, ganz sicher Superhelden sind.

Simon Reimold

AutorIn: Sarah Adamus
Datum: 1.04.2019