ULM UND SEINE PHILHARMONIKER
Wenn ich an die Ulmer Musikerinnen und Musiker denke, lacht mir das Herz im Leibe!
Sie hießen damals noch »Orchester der Stadt Ulm«, aber sie waren Philharmoniker im eigentlichen Sinne des Wortes – sie liebten die Musik. Mit ihnen konnte man Pferde stehlen: Unser Zyklus aller neun Sinfonien Beethovens an fünf Abenden einer Saison hebelte das Abonnementsverbot der Stadt aus, durch den Zyklus seiner fünf Klavierkonzerte an zwei Abenden mit meinem ehemaligen Hamburger Kommilitonen Justus Frantz erspielten wir einen neuen Flügel, durch ein weiteres Benefizkonzert mit Christiane Edinger erspielten wir eine Konzertmuschel. Diese weihten wir mit der »Missa Solemnis« ein — in Ulm war immer Beethoven-Jahr!
Ich sehe alle Gesichter noch vor mir — ein halbes Hundert eigenständiger Persönlichkeiten und Charaktere, geeint durch den Willen zur Kunst. Stellvertretend für alle anderen möchte ich drei Namen nennen: Heinz Renner (Soloklarinettist), Karl-Heinz Gudat (Solocellist) und Yoichi Yamashita (Erster Konzertmeister).
Das Opernrepertoire des Orchesters reichte von »Die Krönung der Poppea« bis »Tristan und Isolde«. Da die Abstecherdienste zurückgingen, wurden ambitionierte Projekte möglich: Mahlers »2. Sinfonie« im Rahmen des Festspiels »Wiblinger Sommer«, seine »Dritte« im Ulmer Münster zum Turmjubiläum, moderierte Jugendkonzerte im Haus der Begegnung und im Edwin-Scharff-Haus sowie Kinderkonzerte im Theater unter szenischer Mitwirkung ganzer Schulen, wie »Die Moldau« gemeinsam mit der Friedensgrundschule.
Vielleicht war unser russischer Konzertzyklus im großen Jahr der Wende geschichtsbedingt das aufregendste Ereignis meiner Zeit als städtischer GMD in Ulm – mit russischen Solisten und Dirigenten und Schostakowitschs »Leningrader Sinfonie« als erschütterndem Höhepunkt. In meinem letzten Konzert verabschiedeten meine Frau und ich uns gemeinsam vom aufgeschlossenen Ulmer Publikum mit Strauss’ »Vier letzten Liedern«, anschließend bildeten alle Orchestermitglieder im Probensaal einen Kreis, und jeder verabschiedete sich persönlich – ein unvergesslich bewegender Augenblick.
Ich danke dem Orchester der Stadt Ulm für die glückliche künstlerische Zusammenarbeit und wünsche Ulm und seinen Philharmonikern eine blühende musikalische Zukunft!
Mathias Husmann
(GMD am Theater Ulm von 1983 bis 1991)