ELIZA, WO SIND MEINE PANTOFFELN?

Christian von Götz im Gespräch über seine Ulmer Neuinszenierung von »My Fair Lady«

Im Herbst 1961, anlässlich der ersten deutschen Produktionen von »My Fair Lady«, hatte das Hotel Kempinski einen Cocktail zum Musical kreiert: Zitronensaft, Orangensaft, Curaçao-Orange und Grenadine-Sirup, mit Sekt auffüllen und mit einer Kirsche garnieren. Ist das für Sie die passende Mixtur? 
Ich trinke keine Cocktails, aber die erwähnte Mischung kommt mir ziemlich klebrig vor, was wiederum zu diesem Stück wirklich gar nicht passt. (lacht)

Was würde Ihrer Meinung nach besser passen?
Naja, im Musical wird Gin, dunkles Bier und vor allem viel Tee getrunken. Vielleicht sollte man daraus etwas mixen. Das könnte interessant sein.

Warum bitte schon wieder »My Fair Lady«? Das Stück wurde auf deutschen Bühnen Tausende Male gespielt.
Es ist eines der wenigen guten Stücke im Bereich Musical. 

Details, bitte!
Letztlich ist es eine hochintelligente, urwitzige und sozialkritische Version des Aschenputtel-Märchens. Meiner Meinung nach gehört es in jeden Gymnasiallehrplan.

Und die Musik?
Ist eine Aneinanderreihung von Hits, perfekt gebaut und orchestriert.

Es wurde immer wieder versucht, die Dialektpassagen jeweils in regionale Dialekte zu übertragen. Was ist an der Berlinerischen‹ Erstübersetzung so gelungen? 
Das Berlinerische kann sehr pointiert sein. Das hilft dem britischen Humor im Stück. Vor allem aber ist die »Lady« ein echtes Großstadtstück. Und Berlin ist nun mal die einzige wirkliche Großstadt, die wir haben.

Unter ihren Regiearbeiten finden sich neben Opern aller Epochen auch diverse Musicals. Was interessiert Sie am Musical?
Ich bin Opernregisseur und die Oper ist mein Zuhause. Aber eigentlich interessieren mich die Kategorien U und E nicht. Es gibt gute Stücke und schlechte Stücke. Das ist alles.

Ein besonderes Musical ist »My Fair Lady« auch im Hinblick auf die Figurenkonstellationen. Ein typisches, zentrales Liebespaar sind Higgins und Eliza jedenfalls nicht, oder?
Oh nein. Higgins ist ein infantiler, aber genialischer Soziopath. Wir können ihn lieben, weil er in seinem intelligenten und zynischen Spott keinen Standesunterschied kennt. Einer seiner wichtigsten Sätze ist: »Die Sprache macht den Menschen, die Herkunft macht es nicht!« Damit ist er das Gegenteil von einem Snob. Trotzdem ist sein Frauenbild natürlich eine Katastrophe und er würde im Jahre 2018 (zu recht) gnadenlos niedergegendert werden. Eliza hingegen reicht mit ihrem Selbstbild ganz klar in unsere nachemanzipatorische Zeit herüber. Die beiden sind als Mann und Frau wie Feuer und Wasser.

 

AutorIn: Diane Ackermann
Datum: 31.10.2018